Ungewünschte Narben, Unzufriedenheit mit der Körpergröße und vor allem der ungesunde Magerwahn in den Medien sind Faktoren, die ganz gewaltig am Selbstbewusstsein kratzen können. Doch eigentlich macht jedes einzelne Merkmal einen Menschen auf seine Art individuell. Meine Fotoreihe soll zeigen, dass kein Mensch perfekt ist. Menschen zeigen ihre unangenehmsten und ungewöhnlichsten Merkmale und berichten, warum sie trotzdem mit sich zufrieden sind.

8. März 2012

Hannah, 19. "Vor Depressionen kann man nicht warnen, vor Essstörungen schon!"

Foto: Hannah
Alles begann, als ich 15 war. Das ist ja ohnehin ein nicht ganz einfaches Alter, und ich hatte eine Phase in der ich psychisch ziemlich instabil war. In dieser Zeit hatte ich den Eindruck, nicht genügend Aufmerksamkeit von meiner Mutter zu bekommen, also fand ich meinen Weg, sie zu bekommen, in dem ich immer weniger aß. Zusätzlich hatte ich in der Zeit auch noch Kontakt zu den 'falschen' Menschen, nämlich zu einer Gruppe magersüchtiger Mädchen, was mich in die Sache immer weiter reinzog. Ich bekam ein ziemlich ungesundes Schönheitsideal vermittelt und das garnicht bewusst oder mit Absicht, das passierte einfach so. Meine Mutter bemerkte natürlich, dass ich kaum noch etwas aß und zwang mich zum essen. Diese ungewollte Nahrungszufuhr habe ich dann mit Lügen oder Sport versucht auszugleichen. Das führte irgendwann auch zum Erbrechen. Später hatte ich aber dann auch Phasen wo ich 'Fressanfälle' hatte, die ich nicht mehr kontrollieren konnte und bei denen ich mich hinterher auch erbrochen habe.
 
Der Grundauslöser all meiner Probleme, war der Tod meines Vaters. Damals war ich 12. Die Depressionen kamen und ich begann mich selbst zu verletzen, obwohl ich keinen Sinn darin sah. Ich habe es einfach getan. Zum einen war es ein unbewusster Versuch, Kontrolle über meinen Körper zu haben und zum anderen einfach eine unglaubliche Faszination mein eigenes Blut zu sehen. Es ging mir nie darum den Schmerz zu spüren oder Aufmerksamkeit zu bekommen. 
 
Schon bevor meine Situation wirklich schlimm wurde, habe ich erkannt, dass ich da raus musste. Jedoch hab ich sehr, sehr lange gebraucht, um tatsächlich etwas zu unternehmen. Abgesehen von so halbherzigen Versuchen, die ich nach zwei Tagen wieder aufgegeben habe. Es hat mich enorm viel Kraft und Ausdauer gekostet. Aber mittlerweile ist es echt wieder ziemlich gut und ich bin sehr stolz, dass ich das geschafft habe, ohne Klinikaufenthalt oder ähnliches. 
 
Schon seit längerer Zeit mache ich eine Therapie, die mir schon in extremen Zeiten sehr geholfen hat. Dadurch hatte ich meistens den Gedanken im Hinterkopf, dass es jemanden gibt, der mir helfen kann. Heute bin ich 19 Jahre alt und habe ein ganz normales Essverhalten. Die Hintergedanken beim Essen, ignoriere ich gekonnt. Auch mit meinen Narben gehe ich mittlerweile sehr offen um, was mich allerdings anfangs jede Menge Mut gekostet hat und auch heute noch ist mir die Frage „Was ist das?“ sehr unangenehm. Ich kann nur sagen, dass es tausendmal besser ist sich zu zeigen, als das Verstecken unter langen Ärmeln.

Vor Depressionen warnen kann man nicht wirklich, da man diese in der Regel leider nicht vermeiden kann. Ich persönlich kann nur raten, sich ein Herz zu fassen und eine Therapie zu machen. Bzw. auch das Umfeld darüber in Kenntnis zu setzen, sonst ist das eine sehr schwere und einsame Sache. 
Anders ist es mit Essstörungen. Davor kann ich und werde ich auch warnen. Dieser Beauty-Magerwahn ist so furchtbar. Eine Freundin von mir hat sich auf 33 kg gehungert und fand sich damit immer noch zu dick. Die Folge war ihr Tod.